EDITORIAL

Sklaverei

Das Jahr 2004 ist von der UNESCO als „Internationales Jahr zum Gedenken an den Kampf gegen die Sklaverei und an ihre Abschaffung“ deklariert worden. Aus diesem Grund widmet sich das fünfte Schwerpunktthema des Journals Ethnologie der „Sklaverei“.

Die Beiträge sind breit gefächert. Von politisch-ökonomischen und historischen Ansätzen ausgehend (siehe Beiträge Lieberknecht und Kramer) bis zu Erzählungen alter Menschen in Westafrika, die in ihrer Kindheit noch mit Versklavung – Menschenraub und Verkauf – konfrontiert wurden. Auch wenn die zu Beginn des 20.Jahrhunderts in Westafrika noch geschehenen Fälle von Versklavung nicht die lebensbedrohende Brutalität der Verschleppung von Sklaven in die Karibik und in die Südstaaten der USA hatten (siehe Beitrag von Schomburg-Scherff), so war die Versklavung im letzten Jahrhundert in Afrika doch mit einem sozialen Statussystem verbunden, das die einen aller Menschenrechte beraubte, die anderen mit Macht über Leben und Tod ausstattete. Sklaven und Sklavinnen in Westafrika blieben körperlich zwar oft unversehrt (siehe Beitrag Kosack), ihr sozialer Status aber war so demütigend, dass sie ihr Leben lang psychisch davon gebranntmarkt sind (siehe Beitrag Hardung). Auch nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei sind die sozialen Beziehungen zwischen Nachkommen von Sklaven und Herren in Westafrika in mancherlei Hinsicht immer noch schwierig (siehe Beitrag Reikat).

Weltweit explizit verboten ist „Sklaverei“ erst seit 1948. Gleichwohl werden mit Sklaverei eher vergangene Epochen assoziiert: „Onkel Toms Hütte“ oder die Suche nach den eigenen - historisch weit zurückliegenden - Wurzel von Afro-Amerikanern in Afrika (siehe Beitrag Kroeber-Wolf). Heutige weltweite Praktiken von Mädchenhändlern, Prostitution, illegal verwendeten Arbeitskräften oder Rassismus sind in ihren Strukturen und Auswirkungen aber auch der Sklaverei gleichzusetzen (siehe Beitrag Kunze). So muss man konstatieren, dass mit dem weltweiten Sklaverei-Verbot tatsächlich nur eine Form der Sklaverei geächtet wurde. Das UNESCO-Jahr „Zur Erinnerung an die Sklaverei“ sollte der Auftakt sein, auch alle anderen Formen von „moderner Sklaverei“ zu verbieten.

Die nächste Schwerpunktausgabe erscheint Ende August und hat zum Thema "Ethnologische Frauen- und Geschlechterforschung".


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008