Im Schwerpunktthema Bilder des Orients sind Artikel zusammengestellt, die das Thema der Ausstellung "Sevrugian. Bilder des Orients in Fotografie und Malerei 1880-1980" (eine Kooperation vom Museum der Weltkulturen in Frankfurt am Main und dem Kuratorium Weltkulturdenkemal Kloster Lorsch) vertiefen und ergänzen.
Die Ausstellung zeigt 97 Werke zweier armenischer Künstler, Vater und Sohn, im Kontext ihrer Familiengeschichte. Sie waren in der armenischen Diaspora in Teheran/Iran zuhause und – obgleich christliche Armenier – tief verwurzelt in der persischen Kultur. Antoine-Khan Sevruguin (ca. 1840–1933) war Hoffotograf unter den Schahs Naser ad-Din bis Reza Pahlavi. Auf vielen Reisen durch Persien fotografierte und dokumentierte er das traditionelle Leben unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen und antike Monumente aus vorislamischer und islamischer Zeit. Sein Sohn der Maler André „Darvish“ Sevrugian (1894–1996) widmete sein künstlerisches Schaffen der persischen Poesie, deren literarische Bilder er in Anlehnung an den Stil persischer Miniaturen malerisch umsetzte. Bekannt wurde er durch seine 416 Illustrationen des Schahname, dem von Ferdousi im 11. Jahrhundert zusammengetragene „Buch der Könige“, sowie Dichtungen islamischer Mystiker (z. B. Omar Chajjam, 1048-1128).
Der besondere Reiz dieser Ausstellung liegt in der Parallele zwischen der multikulturellen Lebenswelt der Sevrugian-Familie und dem Zusammenspiel von östlicher und westlicher Kunst, die in den Fotografien des Vaters und im malerischen Werk des Sohnes zum Ausdruck kommt. Die Exponate der Ausstellung, die zum Teil erstmalig in Deutschland gezeigt werden, stammen aus der Sammlung Emanuel Sevrugian, Sohn von André Sevrugian, der heute in Heidelberg lebt.
In ihrem Beitrag beschreibt Katharina Märcz die Ausstellung im Spiegel von Gesprächen mit Besuchern (Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen). Ulrike Krasberg, die Kuratorin der Ausstellung, erörtert das Konzept der Ausstellung - hier bezogen auf die Gemälde von André "Darvish" Sevrugian - auf dem Hintergrund der Diskussion "Kunst oder Kultur?". Dieser Diskussion liegt die Frage zugrunde, ob Kunst unter rein ästhetischen Gesichtspunkten oder im kulturellen Kontext ihres Entstehens präsentiert werden soll.
In seinem Beitrag gibt Emanuel Sevrugian, als Sohn bzw. Enkel der beiden Künstler, einen Überblick über die Vita seiner Vorfahren. Einen interessanten Einblick in die museologische Arbeit mit alten Fotografien erlaubt Nadine Schober. Ihr ist es gelungen einige der im Besitz des Völkerkundemuseums Hamburg befindlichen Fotografien als "echte Sevruguins" zu identifizieren. Nahal Naficy hat sich als Ethnologin mit persischen Miniaturen beschäftigt, die heute als ein kulturelles Identifikationssymbol überall im persischen Alltag dekorative Verwendung finden. Sie zeigt aber auch die ursprüngliche besondere "Lesbarkeit" persischer Miniaturmalerei, oder vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang von "Bildgeschichten" sprechen.
In zwei Artikeln beschreibt Mehdy Naficy christlich armenisches Leben im iranischen Isfahan. In dem einen widmet er sich dem früheren Vorort von Isfahan Neu-Djulfa, der heute ein innerstädtisches Quartier ist. Dieses wurde im 17. Jahrhundert von vertriebenen Armeniern gegründet und ist bis heute ein Stadtteil, in dem das Leben pulsiert - ein Fenster zur Welt. In dem anderen Artikel spürt er der multikulturellen, christlichen Geschichte Neu-Djulfas anhand der Gräber des christlichen Friedhofs nach.
Einen besonderen Akzent im Schwerpunktthema setzt Armenuhi Drost-Abgarjan. Sie beschreibt das Leben und Wirken des armenischen Minnesängers Sajat-Nowa im Südkaukasus des 18. Jahrhunderts. Den Gedichten und Gesängen des im modernen Westen weitgehend unbekannten Sajat-Nowa hat André "Darvish" Sevrugian in seinem Spätwerk viele Gemälde gewidmet.
Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008