Von Katja Turé
Die Färberei in Westafrika
In nahezu allen Ländern der Welt wird und wurde in früheren Zeiten das Färben von Stoffen und Garnen als Handwerksberuf ausgeübt. So in China, Japan, Indien, Indonesien, Philippinen, Russland (jüdisches Handwerk vor der Revolution), im vorkolumbianischen Peru, Bolivien, in den USA (Pueblo von New Mexico) und Afrika.
Es ist wissenschaftlich nicht gesichert, wann und wo das Färben von Stoffen in Afrika begann. Ein Grund dafür ist, dass Geschichte in Afrika gewöhnlich mündlich weitergegeben wurde, von Generation zu Generation, und so keine schriftlichen Quellen vorliegen. Bislang wird angenommen, dass das Färben ursprünglich aus China nach Afrika kam.
Als in der Mitte des 15. Jahrhunderts die Portugiesen an der westafrikanischen Küste im Gebiet des heutigen Senegal und Gambia landeten, fanden sie eine entwickelte einheimische Weberei und Färbetradition vor. Die Portugiesen, die eigentlich auf der Suche nach Gold und Elfenbein waren, erkannten in diesen Stoffen ein gutes Tauschmittel im Handel mit anderen westafrikanischen Völkern. Später, nach der Kolonisierung der Kapverdischen Inseln, deportierten sie Tausende von Sklaven aus verschiedenen Gebieten des afrikanischen Festlandes und zwangen sie zur Arbeit in Webereien und Färbereien sowie auf Baumwoll- und Indigopflanzungen. Die Portugiesen perfektionierten die einheimischen Techniken, und die Kapverdischen Inseln wurden schnell zu einem wichtigen Stoffproduktions-Zentrum. Die Baumwollstoffe aus Kap Verde erlangten an der westafrikanischen Küste Berühmtheit und wurden als Austausch-Währung für Sklaven benutzt sowie für Gold- und Elfenbeinhandel im Innern des Kontinents.
Der mit Abstand wichtigste Farbstoff zum Färben von Stoffen und Garnen war Indigo. Der Farbstoff Indigo kann aus unterschiedlichen Pflanzen gewonnen werden, die verschiedene Blautöne liefern. Das Färben mit Indigo ist ein zeitaufwendiges Verfahren, da Indigo nicht wasserlöslich ist. Indigo zählt zu den ältesten organischen Farbstoffen der Welt. Das belegen zum Beispiel mit Indigo gefärbte Bänder an 4000 Jahre alten ägyptischen Mumien. Indigo war die wichtigste der Farben, mit denen jahrhundertelang Stoffe in Westafrika gefärbt wurden. Bei archäologischen Forschungen im Bandiagara-Felsmassiv in Mali fand man erste Hinweise auf Indigofärberei in Westafrika. In Begräbnisstätten der Tellem wurden mit Indigo gefärbte Stoffstücke aus dem elften bis zwölften Jahrhundert entdeckt. Der erste schriftliche Nachweis über den Gebrauch von Indigo stammt allerdings erst aus dem 16. Jahrhundert.
Vom Senegal bis nach Kamerun ist die Indigofärberei heute verbreitet. Sowohl Frauen als auch Männer üben das Handwerk des Färbens aus. Nicht nur Garn zum Weben, sondern auch Stoffe und sogar Kleidungsstücke werden blau gefärbt. Die Textilien werden gewöhnlich beim Färben mithilfe verschiedener Techniken gemustert. In Westafrika sind mehrere Techniken zur Stoffmusterung bekannt. Hauptsächlich findet die indirekte Musterung durch Reserveverfahren Verwendung. Bei dieser Färbemethode wird eine Verzierung von Stoffen mithilfe von regelmäßigen Abdeckungen (Reserven), die vor dem Färben angebracht werden, erzielt. Nach dem Färben werden die Reserven entfernt, die Stellen erscheinen ungefärbt und bilden ein Muster im gefärbtem Stoff. Weitere Techniken sind das Abbinden (Plangi), das Abnähen (Tritik), Falten, Zusammenpressen, Verknoten und das Auftragen eines pastenförmigen oder flüssigen Materials (Batik).
Die Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF) entwickelte Ende des 19. Jahrhunderts ein Indigo in synthetischer Form, das seit 1897 produziert wird. Nach Afrika wird dieser synthetische Farbstoff seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts exportiert. Der synthetisch hergestellte Farbstoff verdrängte nach dem Zweiten Weltkrieg nach und nach die einheimischen Indigofarbstoffe. Seit den 1960er-Jahren sind weitere synthetische Farbstoffe (Indanthren-Farben) in vielen verschiedenen Farbtönen im Handel.
KonsumentInnen wie FärberInnen beanstanden allerdings die geringe Haltbarkeit der chemischen Produkte. Trotzdem haben sie pflanzliches Indigo nahezu verdrängt, da das Färben mit ihnen unkompliziert und wenig zeitaufwendig ist.
Die Färberin Mabintu aus Serekunda
Die Färberin Mabintu gehört zum Volk der Mandinka, der größten ethnischen Gruppe (40 Prozent) in Gambia. Sie lebt mit ihren Kindern und ihrer Verwandtschaft an der gambischen Küste in Serekunda, der größten Stadt Gambias. Ihre Wohnstätte (Compound) umfasst drei Häuser, die mehrere kleine Wohnungen beherbergen. Mabintus Ehemann arbeitet und lebt seit einigen Jahren in Gabun, weil er in Gambia keine Arbeit hatte, mit der er den Lebensunterhalt seiner Familie sichern konnte. Nur einmal im Jahr kehrt Mabintus Ehemann für ein paar Wochen nach Hause zurück. Da die Geldüberweisungen ihres Mannes unregelmäßig kommen, ist Mabintu darauf angewiesen, selbst Geld zu erwirtschaften. Da viele gambische Frauen mit dem Färben ein Einkommen erzielen, entschied sich auch Mabintu dafür. Von Nachbarsfrauen lernte sie die Arbeitsabläufe und die Techniken des Färbens, kaufte sich die Arbeitsmaterialien wie Stoffe, Farbstoffe, Garn und Behältnisse, und seit einigen Jahren färbt sie nun Stoffe im Innenhof ihres Compounds.
Mabintu beherrscht verschiedene Färbeverfahren zur Stoffmusterung. Sie näht Stoffe gewöhnlich ohne Nähmaschine ab. Die Verzierung der Stoffe geschieht ohne jegliche Vorlage. Für das Arbeiten mit Wachs lässt sie sich bei einem Handwerker Stempel aus Holz anfertigen, mit denen sie dann freihändig Muster auf den Stoffen anbringt.
Bevorzugt färbt Mabintu ihre Stoffe blau und verwendet dazu einen handelsüblichen synthetischen Farbstoff. Zu ihrer Arbeitsausrüstung gehören auch Gummihandschuhe, die die Hände vor dem Einfärben schützen. Früher waren Färber-Frauen an ihren blauschwarzen Händen erkennbar.
Für die heutige Färberei in Gambia hat Indigo längst keine Bedeutung mehr. Auf den Märkten werden TouristInnen immer noch handgewebte Baumwollstoffe als mit Indigo gefärbt angepriesen, was in der Regel nicht der Wahrheit entspricht.
Die weibliche Beschäftigung mit dem lokalen Handwerk ist eine Strategie des Überlebens. Es braucht weder viel Vorkenntnisse noch hohen finanziellen Einsatz, um mit der Arbeit beginnen zu können. Von entscheidender Bedeutung ist, dass das Handwerk zu Hause ausgeübt werden kann. Frauen wie Mabintu sind durch ihre vielfältigen familiären Pflichten an das Haus gebunden und verfügen oft über keine oder nur eine geringe Schulbildung. Wie jedes Handwerk wird auch das Färben in einem informellen Sektor ausgeübt. Feste Arbeitszeiten und geeignete Räumlichkeiten fehlen. Gearbeitet wird in den Höfen der Compounds. Unter freiem Himmel werden die Stoffe für das Färben vorbereitet. In Eimern und Badewannen etwa wird gefärbt. Das Wasser muss Mabintu von der öffentlichen Wasserstelle, die 300 Meter entfernt liegt, herantragen. Da die Arbeit ganz und gar unter freiem Himmel stattfindet, wird in der Regenzeit kaum gefärbt.
Zum Kundenkreis Mabintus gehören einheimische Frauen und Männer unterschiedlicher Gesellschaftsschichten sowie TouristInnen. Die Stoffe dienen vorwiegend für die Weiterverarbeitung zu Kleidungsstücken. TouristInnen und in Gambia lebende AusländerInnen nutzen die gefärbten Stoffe besonders für die Innendekoration (Kissenhüllen, Tischdecken, Bettüberwürfe) ihrer Häuser oder Wohnungen.
Mabintu benutzt Gewebe verschiedener Qualitäten: dünne Baumwollstoffe aus Asien, feste Baumwollstoffe aus Europa und Bazin (Damast) erster und zweiter Qualität. Bazin stammt wie die Farbstoffe meist aus Deutschland und Österreich. Mabintu arbeitet zuweilen auf Bestellung, meist aber färbt sie Stoffe für den Verkauf auf dem großen Markt von Serekunda. Sie verkauft ihre Stoffe zusammen mit anderen Frauen an einem gemeinsamen Marktstand.
Die Probleme von Mabintu und anderen Färberinnen in Gambia ähneln sich. Die Farbenvielfalt ist eingeschränkt, weil nicht immer alle Farben erhältlich sind. Die Färberinnen fragen nicht nach den Farbwünschen ihrer meist weiblichen Kundschaft. TouristInnen und in Gambia lebende AusländerInnen bilden einen nicht unerheblichen kaufkräftigen Kundenkreis, dessen Wünsche ebenfalls meist nicht bekannt sind oder nicht erkannt werden. Die gefärbten Stoffe, die Mabintu mit den anderen Frauen zum Verkauf auf dem Markt anbietet, unterscheiden sich wenig in Farbe und Musterung. Die in Wachsbatik hergestellten Stoffe zeigen immer die gleichen Muster. Es fehlt den Färberinnen wie Mabintu ein am Markt orientiertes Handeln. Zu wünschen ist ihnen mehr Selbstvertrauen in ihrer Tätigkeit als Färberinnen, denn sie beherrschen ihr Handwerk und führen damit eine über jahrhundertealte Tradition der Stoffverzierung fort.
Bauer, Kerstin (2001): Indigofärberei in Westafrika. In: Till Förster (Hg.): African Styles: Kleidung und Textilien aus Afrika. Die Sammlung des Iwalewa-Hauses, Bayreuth. Köln: S. 68 - 85
Grosfilley, Anne (2004): L‘Afrique des textiles. Aix-en-Provence
Koné, Fatoumata Bouaré (2000): Das Färben von Stoffen in Bamako. In: Bernhard Gardi (Hg.): Boubou - c’est chic. Gewänder aus Mali und anderen Ländern Westafrikas. Basel. S. 164 - 171
Polakoff, Claire (1982): African Textiles and Dyeing Techniques. London
Katja Turé, Ethnologin M. A., freie Museumspädagogin im Museum für Völkerkunde in Hamburg. Mehrere Feldforschungen auf Sansibar, im Senegal und Gambia. Veröffentlichung: Henna für die Schönheit der Frauen. Die Körperbemalung der Swahili-Frauen auf Sansibar (Ostafrika). In: Huse, Birgitta (Hg.): Von Kopf bis Fuß. Ein Handbuch rund um Körper, Kleidung und Schmuck für die interkulturelle Unterrichtspraxis. Münster: S. 125 - 136.
Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008