DIE JUGEND UND DAS ERWACHSENWERDEN

Kleidung Jugendlicher und junger Erwachsener im Norden der Côte d’Ivoire

Von Kerstin Bauer

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Jugendlicher in Jeanshosen. Foto: K. M. Kouakou

Junge Menschen kleiden sich empirisch beobachtbar auf andere Art und Weise als ältere Menschen. Das Phänomen der Jugendkleidung greift in der Côte d’Ivoire einerseits durch die Grenzen der sozialen Milieus hindurch – so partizipieren Jugendliche unterschiedlicher sozialer Herkunft an jugendlichen Modetrends – gleichzeitig bleiben die Jugendlichen aber in ihren Herkunftsmilieus verwurzelt. Ihr Handeln und ihre Wertvorstellungen sind nicht unabhängig von den Deutungsmustern der älteren Generationen. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen können als Lebensstilgruppe gefasst werden, die sich auf einen bestimmten Lebensabschnitt beschränkt und die quer zu den sozialen Milieus liegt.

Die Jugend, les Jeunes , ist eine sozial definierte Gruppe, zu der unverheiratete Jugendliche und junge Erwachsene bis etwa Anfang 30 zählen. Weibliche Jugendliche scheiden früher aus dieser Gruppe aus als männliche, da sie früher heiraten als Männer und oftmals jünger sind als ihre Ehepartner. Die Jugendlichen suchen mit der Teilnahme an Jugendmoden vor allem nach Anerkennung innerhalb der eigenen Bezugsgruppe. Jugendmoden wirken verbindend und ermöglichen zugleich das Wetteifern um Ansehen und den Ausdruck von Differenz. Indem sie sich in Jugendmoden kleiden und eben nicht in einen boubou oder einen Wickelrock, wollen sie zeigen, dass sie Teil der modernen urbanen Gesellschaft sind. Sie grenzen sich damit ab gegen die villageois (Dörfler), deren Lebensweise in den Städten als rückständig empfunden wird.

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Junge Männer in Jugendkleidung. Foto: K. Bauer

Die Modetrends in der Jugendkleidung haben vielfältige Quellen. Modische Vorbilder sind häufig Idole aus dem Sport und aus den Medien. Trendsetter können aber auch aus den Reihen der Jugendlichen selbst stammen. Junge Männer tragen bevorzugt Jeanshosen, Cargohosen, Baggypants oder Sporthosen, dazu Turnschuhe oder auch Sebago-Schuhe und kombinieren diese im Alltag mit T-Shirts, Polo-Shirts, Sportshirts oder Hemden. Junge Frauen ziehen Hosen an (bevorzugt enge Modelle), wenn sie mit anderen Jugendlichen ausgehen. Diese werden kombiniert mit T-Shirt, Bluse oder einem engen Oberteil. Die Art und Weise, wie sich Mädchen zum Ausgehen kleiden, ist immer wieder Grund für Klagen von Seiten der Älteren, die sich um den Ruf ihrer Kinder und um das Ansehen der Familie sorgen.

Die Zeit vor der Heirat ist für die jungen Frauen eine relativ libertäre Zeit. Es ist ihnen erlaubt, sich herauszuputzen, auszugehen und sich von jungen Männern umwerben zu lassen. Aber wenn sich junge Frauen zu freizügig kleiden, werden sie durch Neckereien und Spott, durch üble Nachrede und anzügliche Bemerkungen in ihre Schranken verwiesen. Trotzdem haben die Erwachsenen keine absolute Kontrolle über die Kleidung der jungen Frauen. Denn diese kennen verschiedene Wege, um Beschränkungen zu umgehen und sich Freiräume zu verschaffen: So verstecken sie beim Verlassen des Gehöfts ihre Hosen unter einem Wickeltuch, lassen sich ihre Kleider von einem Kind nachbringen oder deponieren diese bei einer Freundin und ziehen sich dort um.

Zwar ist das Hosentragen bei Frauen nach wie vor umstritten, aber im Vergleich zu früher ist eine Zunahme des Gebrauchs von Hosen bei unverheirateten Frauen zu beobachten – nicht nur im Kontext des Ausgehens, sondern auch im Arbeitsalltag. Bei den Hosen, die sie im Arbeitsalltag tragen, handelt es sich um Hosen, die ehemals zum Ausgehen verwendet wurden, und die dann zu Arbeitskleidung degradiert worden sind. In der vestimentären Sphäre des Arbeitsalltags orientiert sich die Verwendung von Kleidung überwiegend an der Zweckmäßigkeit und an der Notwendigkeit des praktischen Gebrauchs. Der praktische Nutzen steuert hier der normativen Wertung entgegen und scheint das Gewicht der normativen Beschränkung zu schwächen. So fließen immer mehr Hosen in den Bereich der Arbeitskleidung ein, was zu einer zunehmenden Akzeptanz des Hosentragens bei jungen Frauen in der Gesellschaft führt.

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Kleinkinder in Secondhandkleidung. Foto: K. Bauer

Mädchen sammeln heute bereits im Kindesalter ihre ersten Erfahrungen mit dem Hosentragen. Kinderkleidung für den Alltag wird oft second hand erworben. Mit Altkleidern gelangen westliche Kleidungsstile und Moden aus Europa und Nordamerika nach Afrika – so beispielsweise auch Jeanshosen und Miniröcke für kleine Mädchen. Diese stossen im Bereich der Kinderkleider auf wenig gesellschaftlichen Widerstand. Von klein auf gewohnt an Hosen, verwenden junge Frauen dann (Jeans-)Hosen auch zum Ausgehen und im Arbeitsalltag. Es ist durchaus denkbar, dass sich diese körperlichen Erfahrungen auf ihre Kleidungspraktiken als Erwachsene auswirken, und sie – zumindest in manchen Kontexten – gerne weiterhin Gebrauch von Hosen machen würden.

Aber Jugendliche wählen ihr outfit nicht nur nach individuellen Vorlieben, sondern kleiden sich auch passend zum Anlass. Junge Muslime tragen zum Beispiel einen boubou , wenn sie zum Gebet in die Moschee gehen. Für Behördengänge werden Stoffhosen, ein Langarmhemd und Lederschuhe als angemessen angesehen. Die Jugendlichen wissen, dass das Tragen von Jugendmoden bei Gesprächen mit Autoritätspersonen als unangemessen gilt und Nachteile bringen kann. Wenn sie von dem jeweiligen Gegenüber auch als Erwachsener ernst genommen und behandelt werden wollen, bedienen sie sich einer als seriös und erwachsen geltenden Kleidung. Die Jugendlichen versuchen zwar stetig ihre Freiräume neu auszuhandeln, doch diese werden durch die ungleichen Machtverhältnisse zwischen den Generationen und Geschlechtern eingeschränkt. Die Mehrheit der jungen Menschen in den Städten im Norden der Côte d’Ivoire rebelliert nicht offen oder direkt gegen Forderungen und Verpflichtungen, sondern respektiert die Autorität der Älteren.

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Jugendlicher beim Kauf eines boubou. Foto: K. Bauer

Mit dem Erreichen eines bestimmten Alters geben die Jeunes in der Regel ihren jugendlichen Lebensstil auf. Wollen sie sich in der Gesellschaft als Erwachsene positionieren, müssen sie sich in die entsprechenden Rollen einfügen. Wer hingegen daran festhält, das Leben eines Jugendlichen zu führen, dem wird unter Umständen Achtung, Respekt und Ansehen verweigert. Der Zeitpunkt des Eintritts in die Verantwortlichkeiten des Erwachsenenlebens ist in der Regel nach der Heirat und der Gründung einer eigenen Familie gekommen. Für junge Frauen endet die relativ libertäre Jugendzeit abrupt mit der Heirat. Der Übergang in den Status einer verheirateten Frau wird von Passageriten begleitet und ist mit einem Wechsel der Art und Weise des Sich-Kleidens verbunden. Von einer verheirateten Frau wird erwartet, dass sie nicht mehr Jeanshosen trägt. Bei Männern setzt die Heirat keinen solch klaren Schlussstrich unter die jugendliche Lebensführung. Aber auch sie legen nach der Heirat zunehmend ihren jugendlichen Kleidungsstil ab.

Wie man sich als Erwachsener kleidet, richtet sich nach der Milieuzugehörigkeit und der Berufslaufbahn, sowie den entsprechenden geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen. Junge Erwachsene scheinen beim Wechsel in den Erwachsenenstatus jedoch gesellschaftliche Wandlungsprozesse anzustoßen, die in der Kleidung sichtbar werden. So sind bestimmte Elemente aus der Jugendkleidung, die noch vor zehn oder 15 Jahren ausschliesslich von Jugendlichen getragen wurden, heute auch an Erwachsenen mittleren Alters zu sehen (Jeanshosen und Turnschuhe zum Beispiel). Wie ist dies zu erklären? Die einzelnen Alterskohorten behalten beim Älterwerden offensichtlich bestimmte Kleidungspraktiken aus ihrer Jugendzeit bei. Dass Kleidungsstile und -präferenzen teilweise an Alterskohorten gebunden sind, ist für unsere Gesellschaft belegt. So spricht Gerhard Schulze davon, dass Stile mit den Geburtsjahrgängen durch die Zeit wandern. Als Voraussetzung dafür, dass mit dem Älterwerden nun auch in der Côte d’Ivoire eine Beibehaltung von Elementen aus der Jugendkleidung möglich ist, müssen gesellschaftliche Restriktionen abgeschwächt worden sein. Die Handlungsspielräume bei der Gestaltung des Kleidungsstils können sich nur dadurch vergrößert haben, dass in manchen Milieus der Status des Erwachsenen heute weniger streng mit einer bestimmten Kleidung verknüpft wird, und es zumindest in bestimmten Kontexten keinen Verlust von Respekt und Anerkennung als Erwachsener zur Folge hat, wenn Gebrauch von Elementen aus der Jugendkleidung gemacht wird.

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Junge Beamte und Angestellte, Kong. Foto: K. Bauer

Bei jungen christlichen Beamten ist beispielsweise zu beobachten, dass sie heute in der Freizeit gerne Jeanshosen tragen und diese mit einem Kurz- oder Langarmhemd kombinieren. Dazu verwenden sie Turnschuhe, meist aber Lederschuhe wie zum Beispiel Sebago-Schuhe. Amerikanische Sebago wurden in den 1980er-Jahren zunächst von Jugendlichen der oberen Mittelschicht getragen. In den 1990er-Jahren verbreitete sich diese Mode dann auch bei jungen Erwachsenen untere Schichten, da nun preiswerte Fälschungen aus China und Marokko auf den Markt kamen. Die jüngeren Beamten haben während ihrer Ausbildung an dieser Mode partizipiert und halten nun als Erwachsene zum Teil daran fest. Das Beibehalten jugendlicher Elemente in der Kleidung der Erwachsenen ist auch abhängig davon, welchem Milieu eine Person angehört. Dabei gestalten sich die Handlungsspielräume für Männer und Frauen unterschiedlich. So ist das Hosentragen bei verheirateten Frauen im muslimischen Milieu ein sehr seltenes Phänomen.

Die Beispiele aus der Côte d’Ivoire haben gezeigt, dass Generationswechsel Wandlungsprozesse anstoßen. Junge Menschen werden zu Erwachsenen, aber nicht zwangsläufig zu den gleichen Erwachsenen, wie die Generationen vor ihnen. Die nachrückenden Generationen unterwerfen sich nicht vollständig den Werten der älteren Generationen und fordern somit deren gesellschaftliche Neuaushandlung heraus. Durch die kontinuierlichen Aushandlungsprozesse zwischen den aufeinanderfolgenden Generationen kommt es zu schrittweisen Veränderungen.

Weiterführende Literatur

Bauer, Kerstin (2005): Blue jeans are turning the world blue: Jeanshosentragen in Westafrika. In: Ilsemargret Luttmann (Hg.): Mode in Afrika. Hamburg: Museum für Völkerkunde. S. 119–123
Bauer, Kerstin (im Druck): Kleidung und Kleidungspraktiken im Norden der Côte d’Ivoire. Münster: LIT (Beiträge zur Afrikaforschung)
Scheld, Suzanne (2003): The City in a Shoe: Redefining Urban Africa through Sebago Footwear Consumption. In: City & Society, 15 (1). S. 109–130
Schulze, Gerhard (1996): Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt a. M., New York: Campus

Zur Autorin

Dr. des. Kerstin Bauer ist wissenschaftliche Assistentin am Ethnologischen Seminar der Universität Basel und Dozentin am Zentrum für Afrikastudien, Basel. Sie forscht seit 1994 in der Côte d’Ivoire und in Burkina Faso. Sie war Kuratorin der Ausstellung „African Styles. Kleidung und Textilien aus Afrika“ (Iwalewa-Haus Bayreuth 2001/2002) und schrieb ihre Doktorarbeit zum Thema „Kleidung im Norden der Côte d’Ivoire. Geschichte und Dynamiken des Wandels, vom Ende des 19. Jahrhunderts bis Beginn des 21. Jahrhunderts“ (Universität Basel, 2005).


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008