Von Markus Schindlbeck
Die Ernährung der Bewohner am Mittelsepik basiert auf der Gewinnung von Sago, dem Fischfang und dem Anbau von verschiedenen Nahrungspflanzen wie Bananen, Yams und Taro. Der Anbau ist jedoch am Fluss nur in der Niedrigwasserzeit von Mai bis November, möglich. Als Ergänzung kommen hinzu die gelegentliche Jagd und Sammeltätigkeit. Die Dörfer im Gebiet des Mittelsepik sind in ein verzweigtes Netz von Handelsbeziehungen eingefügt. Da die einzelnen Siedlungen keine autarken ökonomischen Einheiten darstellen, sind sie alle, wenn auch in unterschiedlichem Maße, auf Tauschbeziehungen angewiesen. Für die Richtung dieses Handels ist die Ausstattung mit verschiedenen Ressourcen entscheidend. Dörfer mit gleichen Ressourcen haben kaum Tauschhandel miteinander. Die Dörfer am Flusslauf haben die größten Fischvorkommen, die Siedlungen im Hinterland nördlich und südlich des Flusses haben vor allem ausgedehnte Sagoressourcen.
Das Dorf Aibom, früher vermutlich auch noch andere Töpfereizentren, hat dank seiner Tonvorkommen eine Monopolstellung im Handel mit Töpferwaren aufgebaut. Neben diesen wichtigsten Handelsgütern gibt es noch eine große Anzahl von weiteren Produkten, die jedoch in der Bedeutung alle hinter Fisch und Sago zurückstehen. Der traditionelle Tauschhandel liegt vollständig in den Händen der Frauen, da sie auch größtenteils diese Güter produzieren. In den letzten Jahrzehnten haben sich neue Möglichkeiten für den Handel ergeben. Besonders die Einführung der Geldwirtschaft hat das traditionelle Gefüge verändert, immer mehr wird kein eigentlicher Tauschhandel betrieben, sondern ein Verkauf von Waren gegen Geld. Auf diese Weise sind aus den ehemals geschlossenen Tauschbeziehungen, bei denen nur bestimmte Partnerdörfer tauschen durften, offene Märkte geworden. Bei dem Tauschhandel im Mittelsepik steht der Tausch von Sago gegen Fisch im Zentrum. Damit lässt sich dieser Handel von der Ware her mit vielen anderen Handelsbeziehungen innerhalb von Neuguinea vergleichen, bei denen auch hauptsächlich Fischnahrung gegen stärkehaltige Produkte gehandelt wird.
Die Sagopalme wächst innerhalb des Mittelsepikgebietes in den sumpfigen Niederungen nördlich und südlich des Flusses und ist daher im eigentlichen Siedlungsgebiet der Iatmul, in unmittelbarer Flussnähe, nicht in großen Beständen vertreten. Trotzdem ist Sago die Grundnahrung der Iatmul. Sie müssen deshalb Sago von ihren nördlichen und südlichen Nachbarn einhandeln. Die wichtigsten Sagolieferanten für die Iatmul sind die nördlich von ihnen lebenden Sawos. Das Pflanzen von Sagopalmen ist bei den Iatmul Männerarbeit, während es bei den Sawos manchmal auch von Frauen ausgeführt wird. Unterschiedlich ist außerdem die Arbeitsteilung bei der Sagogewinnung. Während bei den Sawos ausschließlich die Frauen Sago produzieren, arbeiten bei den Iatmul Männer und Frauen zusammen. Das Fällen, Säubern und Öffnen der Palme und das Zerkleinern des Palmenmarks sind im Allgemeinen Männerarbeit, während das Ausschwemmen der Sagostärke Tätigkeit von Frauen ist. Bei den Iatmul wird die ausgewaschene Sagostärke in Vorratstöpfen aus Ton, die einen kurzen, weiten Hals haben, aufbewahrt. Früher soll man jedoch auch Sago geräuchert haben, so dass er in den großen Vorratsgefäßen mit engem Hals länger haltbar blieb.
Bei Messungen konnte festgestellt werden, dass die Produktionsmengen von Sago großen Schwankungen unterliegen. Im Allgemeinen kann ein Durchschnittswert von 3,5 Kilogramm Sagostärke pro Stunde angenommen werden. Eine einzelne Frau trägt nach einem Arbeitstag von fünf bis sechs Stunden eine Menge zwischen 20-40 Kilogramm Sago in ihr Dorf. In einem Flussdorf reicht eine Menge von 20 Kilogramm Sago für eine Familie von drei Erwachsenen und zwei Kindern für etwa eine Woche. Wesentlich höher ist der Verbrauch in einem Sawos-Dorf, in dem viel größere Mengen von Sago produziert werden. Dort beträgt der durchschnittliche Verbrauch pro Kopf und Tag etwa 1,2 Kilogramm Sago. Dieser größere Verbrauch zeigt sich auch daran, dass eine Frau in einem Sawos-Dorf zweimal am Tag Sagofladen bäckt, während dies eine Iatmul-Frau nur einmal täglich macht.
Die Sagofladen sind für die Iatmul und Sawos ein zentrales Element ihrer Kultur. Sie haben einen starken symbolischen Stellenwert und sind in besonderer Weise mit der Welt der Frauen verbunden. Das Zubereiten der Sagofladen erfordert den größten Aufwand innerhalb der Nahrungszubereitung. Entlang der Wände des Wohnhauses stehen die großen Herdschalen aus Ton. Die verheirateten Frauen besitzen oft mehrere dieser Schalen. Über der Herdschale befindet sich meistens ein Rost, auf dem Fische oder auch Fleisch geräuchert werden können. Auf einem weiteren darüber angebrachten Gestell liegt das Küchengerät, wie Tontöpfe. Die Herdschale steht in einem Ring aus Baumrinde, in dem mehrere Topfscherben liegen, die Hitze abhalten und die Herdschale abstützen. Ebenfalls Tonschalen stützen im Inneren der Herdschale die Backschale ab. Wenn sie Nahrung beziehungsweise Sago zubereiten, setzen sich die Frauen im rechten Winkel neben die Herdschale. Mit einer Kokosschale glättet die Frau die Fladen und formt die Kante. Beim Backen wird auch etwas Wasser auf die Fladen getröpfelt. Für elf bis zwölf Sagofladen benötigt eine Frau etwa anderthalb Stunden. Es gibt eine große Anzahl unterschiedlicher Formen von Sagofladen. Neben den Fladen existieren noch weitere Zubereitungsarten von Sago. So können Sagobrocken direkt im Feuer gebacken werden. Sago kann auch zu Klößen geformt und in Wasser gekocht werden.
Der Fischfang wird bei den Iatmul vor allem von den Frauen ausgeführt. Da Fisch neben Sago die wichtigste Nahrung ist, liegt in den Händen der Frauen die Hauptarbeit zur alltägliche Nahrungsbeschaffung. Nur in der Niedrigwasserzeit beteiligen sich auch Männer gelegentlich am Fischfang. Der Tageslauf einer Iatmul-Frau wird durch den Fischfang bestimmt. Darin unterscheidet er sich auch grundsätzlich vom Tageslauf einer Frau im Wald, einer Sawos-Frau. Sagogewinnung, Fischfang, Arbeiten im Garten und verschiedene Sammeltätigkeiten lösen sich beim Nahrungserwerb der Sawos-Frauen ab. Die Iatmul-Frauen dagegen gehen am frühen Morgen zu ihren Gewässern und kehren gegen Mittag in das Dorf zurück. Manche Iatmul-Frau geht jeden Tag zu einem Gewässer um Fische zu fangen.
Mit der Reuse fischen die Iatmul-Frauen vor allem im nicht allzu tiefen Wasser; Bäche und das Ufer des Sepik mit ihrer Strömung eignen sich besonders dazu. Die ungefähr einen Meter langen Reusen werden meistens zu mehreren nebeneinander zwischen Stangen geklemmt. Das Fischwehr zwischen den Reusen bauen die Frauen aus Grasbüscheln auf. Zum Leeren der Reusen müssen die Frauen aus ihren Kanus ins Wasser gehen, die Reusen aus dem Wasser heben und den Grasbüschel aus dem engeren Ende der Reuse entfernen. Die Fische der Reuse schütten sie dann ins Innere ihrer Kanus. Die Reusen werden von den Frauen hergestellt, das Material dazu, Sagoblattrippen, müssen sie von den Sawos-Frauen eintauschen. Ferner werden Angelhaken, früher aus Muschelschalen, an langen Bambusstangen und Fischspeere für den Fischfang benutzt. Nach dem Fischfang teilen die Frauen manchmal ihre Fischbeute mit anderen Frauen. Wenn eine Frau besonders viele Fische gefangen hat, erwarten ihre Verwandten, dass sie von den Fischen abgibt. Nicht jeden Tag bringen die Frauen Fische zurück, sie müssen dann auf andere Nahrungsquellen ausweichen, wie zum Beispiel die Gärten.
Sammeltätigkeiten werden vor allem von Frauen ausgeführt. Das Sammeln der Larven des „Sagokäfers“ bildet einen Teil dieser weit gefächerten Sammeltätigkeiten, besonders bei den Sawos. Außer Larven werden sehr häufig Eier von zwei Arten von Großfußhühnern, Bambussprossen, Blätter und Früchte des Baumes Gnetum gnemon, verschiedene Rankpflanzen, Farne, Baumfrüchte und Pilze gesammelt. Larven vom Rüsselkäfer sammelt man nicht nur für festliche Anlässe wie Totenfeste, sondern auch für die alltägliche Mahlzeit. Wenn sie für Feste bereitgestellt werden müssen, erfordert dies eine zeitliche Planung, da ja erst nach etwa einem Monat nach dem Fällen einer Sagopalme die Larven herangebildet sind. Ein besonderes Gericht stellt eine Speise aus Sago, Kokosraspeln und Larven dar. Auf schmale Blätter streut die Frau geraspeltes Kokosnussfleisch und Sagokrümel und legt einzeln die Larven darauf. Das zugeschnürte Blattbündel stellt sie in einen Topf zum Kochen.
In den mythischen Vorstellungen der Einheimischen erscheint die Sagopalme als eine männliche Gestalt, die den Ahn Moem verkörpert. Moem ist eine zentrale Figur innerhalb der Mythologie am Mittelsepik und steht mit der Einführung der Sagogewinnung, der Begründung der Handelsbeziehungen und der Einrichtung des Totenlandes in Verbindung. Moem (beziehungsweise die ihm vergleichbare Gestalt Nolim) treffen wir sehr oft in Erzählungen über die Mann-Frau-Beziehung und in Liebesliedern an. Die Personifizierung der Sagopalme ist sehr ausgeprägt. Die Verzweigungen des großen Blütenstandes betrachtet man als die Haare des Sago-Menschen. Wenn die Palmblätter im Winde rauschen, so denkt man, dass man den Federschmuck des Sago-Menschen höre, oder man interpretiert das Geräusch der aufeinander schlagenden Palmblätter als sein Sprechen. Wenn die Palme verblüht und die Blätter abgefallen sind, bezeichnet man die Palme als einen nackten Menschen. Die Einmaligkeit des Blühens und das darauf folgende Absterben der Pflanze verbindet sie mit dem Menschenleben; wie im Menschenleben eine Generation auf die andere folgt, so wächst neben dem alten Palmenstamm ein neuer Sprößling hervor.
Große Fischmengen werden bei den Iatmul am Fluss mit dem Auftreten von Hochwasser verbunden. Bei den Sawos wird ebenfalls von dem Vertreter einer bestimmten Verwandtschaftsgruppe nachts ein Fischzauber ausgeführt. Auch die Sawos verknüpfen Fischreichtum mit dem Auftreten von Hochwasser, und somit steht auch Nahrung im weiteren Sinne in einem Zusammenhang mit Wasser. Wenn das Hochwasser zurückgeht, soll auch die Nahrung abnehmen. Die Fische haben dann weniger Fleisch und mehr Knochen. Dieses Hochwasser wird manchmal auch mit dem Fruchtwasser einer gebärenden Frau verglichen, die Ankunft der Fische wird so mit der Geburt eines Menschen in Beziehung gesetzt. In einer unterirdischen Wasserwelt haben die Fische ihr Männerhaus, sie halten sich dort in großen irdenen Gefäßen auf, die mit einem Deckel verschlossen sind.
Weiterführende Literatur
Schindlbeck, Markus (1980): Sago bei den Sawos, Mittelsepik, Papua New Guinea. Untersuchungen über die Bedeutung von Sago in Wirtschaft, Sozialordnung und Religion. Basler Beiträge zur Ethnologie, Band 10. Basel
Zum Autor
Dr. Markus Schindlbeck, Etrhnologe, Leiter des Fachreferates „Ozeanien und Australien“ im Ethnologischen Museum von Berlin und Kurator der dortigen Dauerausstellung „Südsee“.
Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008