Die Beiträge zum Themenschwerpunkt Heilung und Wandel beschäftigen sich mit heutigen Entwicklungen innerhalb der unterschiedlichen Medizinsysteme weltweit, von denen das westliche, biomedizinische nur eins ist. Gemeinsam ist diesen Entwicklungen, dass indigene Medizinsysteme Aspekte der modernen westlichen Medizin adaptieren und in ihre Heilmethoden integrieren, und auch die westliche Medizin Heilmethoden aus anderen Medizinsystemen übernimmt, soweit dies möglich ist. Dass diese Adaption allerdings nur bis zu einem gewissen Mass gelingen kann, zeigt einerseits Anke S. Weber am Beispiel des Mediziners Paul Farmer. Dieser weist in seiner Arbeit als Arzt und Mitbegründer der Organisation Partners for Health daraufhin, dass die gesundheitliche Versorgung marginalisierter Bevölkerungsgruppen weltweit weniger aus kulturellen Gründen mangelhaft ist, sondern aus sozialen und politischen Gründen. Andererseits wird auch in den westlichen Ländern ein systemischer Mangel in der medizinischen Versorgung gesehen. Karin und Kurt F. Richter berichten über Ansätze in der Psychotherapie schmanistische Heilmethoden in das westliche Medizinsystem zu übernehmen.
Während lange Zeit indigene und westliche Medizinsysteme parallel nebeneinander praktiziert und in Anspruch genommen wurden, wird nun danach gesucht auf welche Weise beides miteinander in Einklang gebracht werden kann. In den Ländern des Südens wurde AIDS/HIV bislang als eine aus dem Westen kommende Krankheit gesehen, die auch nur mit westlichen Heilmethoden bekämpft werden konnte. Carsten Kloepfer zeigt am Beispiel Thailands, wie heute buddhistische Mönche innerhalb ihres religiösen Selbstverständnisses und durch ihre Verbundenheit mit der Bevölkerung positiven Einfluss auf den Umgang mit der Krankheit nehmen.
Mihaela Paina hat in Südindien untersucht, wie aus der Familientradition Heiler zu werden, sich durch die Modernisierung des indischen Staates in allen Lebensbereichen ein Familienunternehmen mit Krankenhaus und Pharmazeutischer Fabrik entwickelt hat. Die indischen Heiler bewahren traditionelles Wissen, gleichen es aber modernen Erfordernissen an.
Wie mit modernen wissenschaftlichen Erkenntnisen traditionelle Weltbilder missinterpretiert werden, zeigt Claus Deimel in seinem Beitrag über rituellen Alkoholgenuss bei den Tarahumaras in Mexiko.
Die bildliche Auseinandersetzung mit traditionellen Heilmethoden finden sich in der Tingatinga-Malerei aus Tansania. Ruth Kutalek stellt einige Kunstwerke der Sammlung Ethnomedizin Wien vor.
Ekkehard Schroeder zeigt zum einen in "Hanf, Tabak und Klatschmohn" neuere Entwicklungen in der Ethnobotanik auf und weist auf die Unterschiede zwischen der Naturwissenschaft "Botanik" und der Kulturwissenschaft "Ethnobotanik" hin, die sehr viel mehr Aspekte vom Umgang mit Pflanzen beleuchtet als nur ihren Nützlichkeitswert. Zum anderen, in einem zweiten Artikel "Erich Drobec (1919 -2004", zeigt er die komplizierten Annäherungen zwischen Medizin und Ethnologie auf, die in der Person des Artzes und Ethnologen Erich Drobec schon Mitte des letzten Jahrhunderts fruchtbare Ergebnisse hervorbrachte.
Dieser Themenschwerpunkt entstand in Kooperation mit Ekkehard Schröder, von der AGEM (Arbeitsgemeinschaft Ethnomedizin).
Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008