EDITORIAL

Visuelle Anthropologie

Das Schwerpunktthema Visuelle Anthropologie zeigt verschiedene Aspekte eines Arbeitsbereichs innerhalb der Ethnologie, der in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, gleichwohl Bilder (Zeichnungen, Fotos und Filme) bei der Feldforschung immer schon eine wichtige Rolle spielten. Die technischen Möglichkeiten des Fotografierens entwickelten sich sozusagen parallel zur "Erfindung" und wissenschaftlichen Ausarbeitung langer stationärer Feldforschungen in Europäern fremden Kulturen.

Wie Andreas Ackermann am Beispiel der Stereofotografien Frobenius' (um 1900) zeigt, kann die Fotografie durchaus gleichgesetzt werden mit kolonialen Beutestücken. Und Frank Heidemann schreibt im Zusammenhang mit der Bedeutung von Bildern, dass alte Kolonialfotos in der heutigen Betrachtung neben der "Perspektive des Fotografen, des Abgebildeten und des intendierten Betrachters" noch eine weitere Ebene beinhalten. Diese Ebene ermöglicht es, den multikulturellen Raum zu erkennen, in dem diese Bilder entstanden sind.

Der Beitrag von Barbara Keifenheim reflektiert die Praxis der aktuellen Visuellen Anthropologie . Sie fragt: Wenn die Realität nicht "eins-zu-eins abgefilmt" werden kann, mit welchen filmischen Mitteln können dann Sichtweisen der Protagonisten und das Verständnis des Filmemachers oder der Filmemacherin von einer Feldforschungssituation authentisch umgesetzt werden? Auch Sascha Knoche schreibt über Erfahrungen bei der Realisierung eines ethnologischen Filmprojekts und zeigt filmstilistische Möglichkeiten auf.

Aus ethnologischer Perspektive hat Urte Undine Frömming die beiden Erlebnisfilmdokumentationen Sternflüstern und Traumfischer im ZDF verfolgt. Sie stellt Vergleiche an zwischen ethnologischen Dokumentationen und diesen Erlebnisdokumentationen, die sich hoher Einschaltquoten erfreuten. Dabei fragt sie sich, ob deutsche Fernsehsender und das deutsche Publikum mittlerweile nicht auch gern ethnologische Dokumentarfilme sehen würden, die ohne Exotik und Abenteuertum auskommen.


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008