EDITORIAL

Rituale heute

Ritualen als einem der ältesten Forschungsbereiche in der Ethnologie, gilt seit rund zwanzig Jahren wieder erneut Aufmerksamkeit, zunächst in Zusammenarbeit mit der Theaterwissenschaft. Seit 2002 arbeitet der Sonderforschungsbereich 619 "Ritualdynamik" im Sinne einer kulturübergreifenden Theoriebildung an der Bedeutung rituellen Handelns vor allem aus historischer, religionswissenschaftlicher und ethnologischer Sicht. Vom 29. September bis 2. Oktober 2008 fand in Heidelberg eine internationale Konferenz zum Thema "Ritualdynamik und Ritualwissenschaft" statt. Die in diesem Themenschwerpunkt Rituale heute zusammengestellten Beiträge sind Kurzfassungen von Vorträgen, die in den verschiedenen Arbeitsgruppen der Konferenz gehalten wurden.

In ihrem Beitrag über das indische Ritualtheater Ramlila schreibt Beatrix Hauser wie in indischen Großstädten mit heutigen modernen Inszenierungen göttliche Präsenz theatralisch erfahrbar gemacht wird. Ähnliches beobachtete Inken Prohl auch in Japan. Das wichtigste Ritual im Festkalender der World Mate-Sekte wird dort am Ise-Schrein, dem ältesten und bedeutensten Heiligtum Japans durchgeführt, mit dem Ziel Vibrationen göttlicher Energie zu spüren. Die Inszenierung, die die Herabkunft der Götter bewirken soll, wird ganz und gar im Design einer Walt-Disney-Traumwelt durchgeführt.

Die Beiträge von Joachim Görlich und Martin Ramstedt thematisieren das Spannungsfeld zwischen traditionellen, Identität stiftenden Ritualen und aktuellen Lebensbedingungen. Während auf Bali die finanziellen Resourcen der Familien die extrem hohen Kosten der vielfältigen jahres- und lebenszyklischen Rituale kaum decken können, wird in Papua-Neuguinea, wie Görlich zeigt, der traditionelle Initiationsritus gerade als touristische Einkommensquelle entdeckt.

Kulturelle Grenzüberschreitungen von Schamanenritualen beschreibt Heiko Grünwedel anhand von Biografien eines schweizerischen und eines sibirischen Schamanen.

Gabriele Sorgo schließlich untersucht moderne Events in österreichischen Einkaufzentren unter dem Aspekt von Übergangsritualen und als ritualisierte Prozesse des Konsumierens.


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008