Von Sylvia S. Kasprycki
Mit ihren eindrucksvoll verzerrten Gesichtszügen, ihren großen, mit Metallscheiben betonten Augen und ihren langen (Pferde-)Haaren verfehlten die so genannten Falschgesichtmasken der Irokesen selten ihre Wirkung auf den Betrachter. Sie zählen zu den am besten bekannten Beispielen irokesischer Schnitzkunst und finden sich weltweit zu Hunderten in musealen und privaten Sammlungen. In den großen Museen der Vereinigten Staaten und Kanadas hält man heute jedoch meist vergeblich Ausschau nach diesen Objekten und trifft stattdessen mitunter auf abgedeckte oder leere Vitrinen. Mancherorts, wie etwa im Field Museum of Natural History in Chicago, erläutern eigens angebrachte Texttafeln den neugierigen Museumsbesuchern, dass die Masken in ihrer Herkunftskultur als heilige Gegenstände gelten und aus Respekt vor den Wünschen ihrer Hersteller nicht mehr gezeigt werden.
In der Tat geht das Verschwinden der Falschgesichtmasken aus den Ausstellungen auf die gezielten Kampagnen der Irokesen zurück, die seit den 1980er-Jahren vehement gegen die öffentliche Zurschaustellung und Abbildung der Masken protestierten und deren Rückgabe an ihre "rechtmäßigen Eigentümer" verlangten. Diese Forderungen erhielten in den USA eine legale Grundlage durch den 1990 verabschiedeten Native American Graves Protection and Repatriation Act, der alle von der Bundesregierung finanzierten Institutionen dazu verpflichtet, menschliche Überreste, Sakralgegenstände und bedeutende Objekte des Kulturerbes auf Verlangen den Nachfahren ihrer ursprünglichen indianischen Besitzer zu übergeben. Kanadas Museen betreiben heute eine vergleichbare, wenn derzeit auch noch freiwillige Politik. Dieser Beitrag verzichtet deshalb bewusst auf die Abbildung einer Falschgesichtmaske, auch wenn – wie im Folgenden dargestellt wird – die Streitfrage sich nicht auf den simplen Widerspruch zwischen wissenschaftlichen Interessen und indigenen religiösen Sensibilitäten reduzieren lässt.
Das Maskenwesen ist ein integraler Bestandteil der irokesischen Langhaus-Religion, die aus den vom Propheten Handsome Lake im frühen 19. Jahrhundert reformierten traditionellen Glaubensvorstellungen hervorging. Die Falschgesichtmasken stellen nur einen von mehreren Maskentypen dar; sie repräsentieren eine bestimmte Klasse übernatürlicher Wesen und werden von den männlichen Mitgliedern der Medizingesellschaft der Falschgesichter im Rahmen ihrer speziellen Rituale getragen. Einer mythischen Erzählung zufolge forderte einst Hadui, der Mächtigste der Falschgesichtwesen, den Schöpfer zu einem Zweikampf heraus. Dieser demonstrierte seine Überlegenheit, indem er einen Berg in Haduis Gesicht schleuderte, ihm die Nase brach und damit seine Züge entstellte. Dann trug er den Falschgesichtern auf, ihre Macht zum Zwecke der Krankenheilung und Krankheitsvorbeugung in den Dienst der Menschen zu stellen, die im Gegenzug Masken nach ihrem Abbild anfertigen und ihnen durch Tabakopfer Ehrerbietung erweisen sollten.
In ihrer Nachahmung der entstellten Gesichtszüge Haduis wirkten die klassischen Falschgesichtmasken auf Europäer häufig abstoßend, und in historischen Berichten wurden sie oft genug als "hässlich" oder "grotesk" beschrieben, bevor sich im Zuge der Entdeckung von "primitiver Kunst" durch die westliche Welt eine neue ästhetische Wertschätzung herausbildete. Nicht nur den Europäern oder Euroamerikanern galten die Masken als Inbegriff der "Wildheit" und "Andersartigkeit" (in diesem Fall der irokesischen Kultur), auch für die Irokesen verkörpern die Masken das "Fremde": Als Waldbewohner, die eine unverständliche Sprache sprechen und nicht zuletzt als Verursacher der Krankheiten gesehen werden, die sie zu heilen helfen, stehen die Falschgesichter außerhalb der menschlichen Kultur. Es entbehrt nicht der Ironie, dass irokesische Schnitzer gelegentlich auch Angehörige anderer Bevölkerungsgruppen als Inspirationsquelle für ihre Kunst heranzogen. So finden sich beispielsweise Masken, die Weiße oder Afroamerikaner darstellen, und während seiner Feldforschungen auf der Cattaraugus-Reservation in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren bekam der amerikanische Ethnologe William Sturtevant auch eine Maske zu Gesicht, die einen Chinesen porträtierte. Beispiele wie diese verdeutlichen anschaulich die Verschmelzung der Kategorien des "Übernatürlichen", des "Fremden" und daher "Unbegreiflichen" in eine gemeinsame Kategorie des "Anderen".
In der Vorstellung der Irokesen gelten die Falschgesichtmasken als Manifestationen übernatürlicher Wesen und werden als machtvoll und lebendig angesehen: Sie altern, bekommen weißes Haar, schwitzen und geben Laute von sich. Sie müssen mit Tabak und Nahrung in Form von Maisbrei versorgt werden – eine Verpflichtung, die von der konservativen irokesischen Minderheit, die heute der Langhaus-Religion angehört, nach wie vor sehr ernst genommen wird. Die Kraft der Masken wächst mit jeder Teilnahme am Ritual. Die Vernachlässigung oder gar Kränkung der Masken hingegen rächt sich durch Alpträume, Unfälle, Erkrankung oder gar Tod.
Parallel zur rituellen Verwendung der Masken setzte allerdings bereits vor mehr als hundert Jahren die kommerzielle Produktion für den Verkauf an Außenstehende ein, die nicht zuletzt von der intensiven Sammeltätigkeit der Ethnologen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts angeregt wurde, denen an der "Rettung" der materiellen Erzeugnisse vermeintlich zum Aussterben verurteilter Kulturen gelegen war. Der Verkauf von Masken an Touristen, Sammler und Museen stellte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts einen willkommenen Nebenerwerb für die zumeist verarmten Reservationsbewohner dar.
Ideologisch gerechtfertigt wurde und wird diese von Irokesen selbst betriebene Kommerzialisierung durch die Unterscheidung zwischen "aktiven" und "inaktiven" Masken. Währende Erstere nach strengen rituellen Vorschriften gefertigt und durch Tabakopfer und zeremonielle Verwendung geweiht würden, seien Letztere nur "Replikate" für den Souvenirmarkt ohne spirituelle Kraft. Eine andere Theorie besagt, dass nur jene Masken "authentisch" wären, die aus lebendem Holz geschnitzt wurden – eine Behauptung, die auf den irokesischen Ethnologen Arthur C. Parker zurückgeht, der 1909 das Schnitzen einer Falschgesichtmaske aus einem lebenden Baum inszenierte und fotografisch festhielt. Obwohl diese Vorgangsweise in der Praxis unmöglich scheint, weil eine solche Maske mit dem Trocknen des Holzes sofort Risse bekäme und brechen würde, ist diese Version für viele Irokesen längst zur unantastbaren Tradition geworden.
Der Versuch der Irokesen, die Verbreitung der Masken und deren unautorisierten Gebrauch zu unterbinden, resultierte schließlich im Ausschluss westlicher Forscher von allen religiösen Zeremonien und in der Forderung nach Rückgabe aller Masken an ihre Hersteller oder deren Nachfahren. In den frühen 1980er-Jahren erließ der Häuptlingsrat der irokesischen Konföderation, die ihren traditionellen Sitz auf der Onondaga-Reservation im Staat New York hat, ein Memorandum, das in seiner Wortwahl nicht deutlicher sein kann. Es hält fest, dass alle Masken heilig sind und kein Unterschied zwischen rituell und kommerziell hergestellten Masken besteht; es verbietet jede Form der Abbildung, Zurschaustellung und Verbreitung der Masken und hält jedes Zuwiderhandeln für einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit.
Trotzdem bleibt die Marktproduktion der Masken eine Streitfrage in den irokesischen Gemeinschaften und spiegelt unterschiedliche Deutungen irokesischer Traditionen und die gegensätzlichen Ansichten verschiedener Fraktionen wider, die zum Teil auch entlang der US-kanadischen Grenze verlaufen: Im Allgemeinen nehmen die kanadischen Irokesen eine weniger orthodoxe Haltung in der Frage der Falschgesichtmasken ein. Masken werden immer noch für den Verkauf hergestellt und sogar im Katalog eines der größten Kunsthandwerksläden der Six-Nations-Reservation beworben, wenn auch mit der Einschränkung, dass "sie nicht in pseudo-irokesischen Zeremonien verwendet werden dürfen", und mit der Versicherung, dass sie "nicht zeremoniell geweiht" wären. Selbst manche strenggläubigen Anhänger der Langhaus-Religion haben nichts gegen die Darstellung von Falschgesichtmasken in Seifenstein-Skulpturen einzuwenden, wie sie seit den 1970er-Jahren populär geworden sind. Und keineswegs alle Traditionalisten zeigen Interesse an der Repatriierung von Masken, was vor allem an deren "Vergiftung" durch Pestizide liegt, die üblicherweise in Museumsmagazinen zum Schutz der Objekte benutzt wurden. Dieser Meinungspluralismus – eine ursächliche Konsequenz der kolonialen Erfahrung von Missionierung und Assimilationspolitik – führte nicht nur zu intertribalen Auseinandersetzungen darüber, was "authentische" irokesische Kultur ist und wer dies zu bestimmen hat, sondern erschwert auch Ethnologen und Museumskustoden ein Urteil in dieser Angelegenheit.
Der Aktivismus der Irokesen ist nicht zuletzt ein Indiz für das in ganz Amerika erstarkte kulturelle Selbstbewusstsein der indigenen Völker und das damit verbundene Wiederaufleben traditioneller Religionen. Allerdings ist die offizielle irokesische Politik in Sachen Falschgesichtmasken keineswegs nur religiös motiviert, sondern muss als ein strategischer Zug im größeren Ringen um politische Souveränität und kulturelle Selbstbestimmung angesehen werden. Museen werden heute vorrangig als jene Orte identifiziert, in denen indigene Kultur und indigenes materielles Erbe einer Fremdbestimmung unterworfen sind, und es ist eben diese unter kolonialer Herrschaft etablierte Beziehung zwischen Wissen und Macht, die indigene Völker heute zu durchbrechen streben. Und so werden Museen zu den modernen Arenen, in denen der Kampf um die Bewahrung der eigenen Identität im Angesicht politischer, wirtschaftlicher und kultureller Dominanz ausgefochten wird.
Indigene Gesprächspartner betonen häufig die Unmöglichkeit, irokesische Kultur und Glaubensvorstellungen von außen zu verstehen. So könnten westliche Kustoden die Gefahr, die von unzufriedenen – weil im Museumsdepot nicht korrekt behandelten – Masken gar nicht richtig einschätzen. G. Peter Jemison, Sprecher der Irokesen in Repatriierungsangelegenheiten, formulierte es folgendermaßen: "Menschen, die nicht an die Masken glauben können niemals verstehen und erleben, was wir erleben." Dass gerade Jemison, der jahrelang als Künstler in New York City lebte und sein traditionelles Erbe erst im späteren Leben wiederentdeckte, diesen Umstand so hervorhebt, sollte nicht überraschen: Ist es doch gerade im Grenzbereich zwischen den Kulturen, wo Identität am bedrohtesten ist und deshalb am deutlichsten bestätigt werden muss.
Die Bemühungen der Irokesen und anderer indigener Völker, die Kontrolle über ihr kulturelles Erbe und dessen Darstellung in wissenschaftlichen Veröffentlichungen wie auch in Museen wiederzuerlangen, trifft den Kern unseres beruflichen Selbstverständnisses als Ethnologen. Sie hinterfragen unsere als selbstverständlich angenommene akademische Freiheit und den uneingeschränkten Zugang zu Wissen, indem sie ihr "Urheberrecht" auf kulturelle Phänomene einklagen. In der Abwägung unserer intellektuellen Rechte gegenüber ihren kulturellen Rechten scheint es kaum Kompromisse zu geben, dennoch sind Lösungen dringend gefragt, soll die Zukunft der Museen nicht aus leeren Vitrinen bestehen. Ein kritisches und vor allem wechselseitiges Verständnis sowohl unserer eigenen kulturellen Tradition des Sammelns und Forschens als auch indigener Anliegen und Motivationen wird dafür aber jedenfalls eine Grundvoraussetzung sein. Und sollten nicht gerade ethnologische Museen Mittel und Wege finden, dieses Verständnis zu fördern?
Der Beitrag beruht auf dem Vortrag "Iroquois False Faces and the Politics of Identity", gehalten während der EASA-Tagung in Wien, 8.-12. September 2004, im Rahmen des Workshops "Displaying the Other: The Masking of Identity".
William N. Fenton (1987): The False Faces of the Iroquois. Norman, OK: University of Oklahoma Press
Ruth B. Phillips (2004): Disappearing Acts: Traditions of Exposure, Traditions of Enclosure and Iroquois Masks. In: Mark Phillips and Gordon Schochet (eds.), Questions of Traditions (Toronto, ON: University of Toronto Press), pp 56-87
William C. Sturtevant (1983): Seneca Masks. In: N. Ross Crumrine and Marjorie Halpin (eds.): The Power of Symbols. Masks and Masquerades in the Americas (Vancouver, BC: University of British Columbia), pp 39-47
Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008