Von Johanna Agthe
„Dort durfte ich früher nie ausstellen“, sagte Katarikawe, als er erfuhr, dass seine Retrospektive „Bilder aus Träumen“ im Jahr 2003 in der Makerere Gallery in Kampala (Uganda) gezeigt werden soll. Diese Äußerung umschließt seine Biografie: Wie er im ländlichen Kabale (Südwest-Uganda) in den 40er-Jahren aufwuchs und weil sein Vater früh starb, nie zur Schule gehen konnte, sondern die Rinder der Familie hütete. Wie er als Jugendlicher sich in vielerlei Jobs versuchte, um seiner Mutter zu helfen. Wie er, noch etwas später, nach Kampala ging, weil auf dem Land nicht viel zu verdienen war, dort Fahrer des englischen Literatur-Dozenten David Cook wurde, der ihm, als er das Interesse seines Fahrers am Malen entdeckte, zu Weihnachten Wasserfarben schenkte. Damit begann Katarikawes einzigartige Karriere: Er erlernte den Umgang mit Farben und begann seine Träume, Visionen, Erzählungen und Beobachtungen in Bilder umzusetzen, für die sich bald auch Käufer fanden. Er lebte bei David Cook in dessen Haus und kam so in engen Kontakt mit den Studenten und Dozenten der Makerere University – nur ausstellen durfte er in der Universitäts-Galerie nie, weil ihm jede formale Schulbildung fehlte.
Jetzt, fast 40 Jahre später, hat sich das geändert: Katarikawe gehört zu den bekanntesten Malern in Ostafrika. Seit 1980 lebt er fast ohne Unterbrechung in Nairobi, der kenianischen Hauptstadt; in Uganda hat er seit langem nicht mehr ausgestellt. So lag es nahe, an beiden Orten seine Retrospektive zu zeigen, die seit 1999 vom Museum der Weltkulturen (damals noch Museum für Völkerkunde), Frankfurt a. M. erarbeitet und 2001-2002 in dessen Galerie 37 gezeigt wurde. Anlass der Retrospektive waren Ankauf und Schenkung der Sammlung eines Freundes von Katarikawe, Jochen Schneider. Dieser hatte seit den 60er-Jahren Katarikawes Werke gesammelt und damit das bisher unbekannte Frühwerk des Malers erhalten. Nach Schneiders Tod kaufte das Museum der Weltkulturen dessen Nachlass an Kunst aus Ostafrika an; einen Teil schenkten Schneiders Verwandte dem Museum. 120 Werke von Katarikawe kamen damit in die Sammlung.
Da der Maler von seinen frühesten Zeiten an jedem Bild eine Geschichte zugrunde legte, die er malend „erzählte“ und in ein Bild verwandelte, lag es nahe, ihn zu diesen frühen Bildern zu befragen – spannend war, ob er sich nach 30 Jahren noch an seine Anfänge, an seine frühen Motive erinnern würde. Bei den meisten war das der Fall, sodass im Lauf von zwei Jahren eine Dokumentation entstand, die einen gewissen Ausgleich dafür bietet, dass Katarikawe seine Bilder weder datiert noch ihnen Titel gibt. Die Motive der frühen Bilder unterscheiden sich von denen seiner späteren Jahre. Bekannt geworden ist Katarikawe am meisten durch seine Tiersymbolik, in der seit den 70er-Jahren Rinder eine besondere Rolle spielen. Rinder sind nicht nur Lieferanten von Milch und Fleisch, sondern sie gehören bis heute zu der Heiratsgabe, die der junge Mann an seine Schwiegereltern liefern muss. Ein Rind ist wie eine Bank, meint Katarikawe, es bedeutet Reichtum. Wer kein Rind hat, wird auch keine Frau bekommen. Ein gemaltes Bild ist auch wie ein Rind, denn man kann mit dem Ertrag etwa ein Rind kaufen, das wiederum notwendig ist, um eine Frau zu bekommen, und so fort.
Aus seiner Hirtenzeit hat Katarikawe die Erkenntnis gewonnen, dass Rinder sich ähnlich verhalten wie Menschen, und so setzt er sie auch als Abbild der Menschen in vielen seiner Bilder ein: als schwächere Kopie des Menschen, der immer ihr Herrscher bleibt und das Schicksal der Rinder bestimmt, indem er sie z. B. zu Festen schlachtet.
Der Katalog zur Ausstellung gibt einen Querschnitt durch Katarikawes frühes Schaffen, seine Bilder, seine Geschichten und seine Entwicklung. Er ist die erste Monographie, die über den Künstler erschien. Für Ostafrika kauft die Ford Foundation, die die Wanderausstellung finanziert, einen Teil der Katalogauflage, damit die Exemplare zu einem lokal erschwinglichen Preis dort angeboten werden können.
Das National Museum of Kenya, Nairobi, eröffnet die Ausstellung; sie wandert anschließend nach Kampala in die Makerere Gallery, wo Katarikawe nun zum ersten Mal in seiner 40-jährigen Laufbahn ausstellt. Es wird interessant sein, die Reaktionen von Katarikawes Landsleuten, KüntlerkollegInnen, Sammlern und anderen Ausstellungsbesuchern zu erfahren. Die Diskussion um seine Karriere entwickelt sich bereits im Vorfeld. Während Journalisten und Sammler seine Einzigartigkeit hervorheben, fragte ein junger Künstler, was Katarikawe so bedeutend mache: Er habe keine Reichtümer vorzuweisen, weder ein Haus, noch eine Farm noch ein Auto. Zwischen solchen Polen wird sich die Diskussion um dieses Pilotprojekt entwickeln.
Katalog: Johanna Agthe und Elsbeth Joyce Court: Bilder aus Träumen/Dreaming in Pictures. 152 S. 107 Abbildungen. Deutscher und englischer Text. Frankfurt 2001; ISBN 3-88270-404-7.
Zu beziehen direkt beim Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M., für 21.50 Euro
Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008