Die Auswahl der in diesem Schwerpunktthema Ethnologische Theorien zusammengetragenen Beiträge ist zufällig. Die Themen sind - in der gebotenen Kürze der Artikel - auch keineswegs erschöpfend behandelt, geben aber durchaus Einblick in die wissenschaftliche Forschung der Ethnologie. Dabei wird deutlich, dass auch Theorieansätze, die schon vor Jahrzehnten entwickelt wurden, heute noch Relevanz besitzen, wie zum Beispiel die Ritualtheorien von Arnold van Gennep und Victor Turner, David Schneiders radikaler Ansatz zum Kulturrelativismus oder die Ansätze zur Geschlechterforschung von Margaret Mead. Wobei letztere in der Folge nicht nur innerhalb der Ethnologie zu einer ganz neuen Sicht auf eigene und fremde Lebenszusammenhänge führten. Denn die Einsicht, dass in der Ethnologie und den Gesellschaftswissenschaften, ja in der westlichen Wissenschaft allgemein, bis in die 1960-Jahre hinein ausschließlich unter einem "male bias" (aus männlicher Perspektive) gearbeitet wurde, hat letztendlich zur Frauenforschung, zur Geschlechterforschung bis hin zur heutigen Etablierung des "gender mainstreams" geführt. Dies mag als ein Beispiel dafür gesehen werden, dass Erkenntnisse in der Ethnologie auch wesentliche Impulse in die westliche Lebenswelt geben können. Den Beitrag über Margaret Mead hat Dagmar Schweitzer de Palacios verfasst.
Lioba Rossbach de Olmos stellt David Schneiders Theorieansatz vor, in dem er zeigt dass die westliche Wissenschaft keineswegs eine allgemeingültige objektive Wahrheit verkörpere, sondern lediglich Ausdruck der westlichen Kultur sei, die wiederum - global gesehen - nur eine Kultur unter vielen ist.
Die Ritualtheorien van Genneps und Turners zeigen wie fundamental menschliches (kollektives) Leben auf Rituale als Sinnstiftung angewiesen ist. Ulrike Stohrer macht in ihrem Beitrag deutlich, dass auch, wenn sich das Leben äußerlich wandelt, Rituale keineswegs verloren gehen.
Antje van Elsbergen zeigt an einem "kleinen Beispiel" was die "Habitus"-Forschung herausgefunden hat: Wie sehr menschliche Identität ganz materiell vom "Umfeld" abhängig ist. Wir suchen uns von all den Dingen, die unsere Gesellschaft uns bietet, die Dinge für unseren persönlichen Gebrauch heraus, von denen wir meinen, dass sie unsere Identität am besten zur Geltung bringt. Und das gilt für alle Gesellschaften und Zeiten.
Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008