ZUR MISSLICHEN LAGE DES ADELHAUSERMUSEUMS

Das Völkerkundemuseum in Freiburg im Breisgau im Juni 2006

Von Hans Voges

Zur misslichen Lage des Adelhausermuseums

Das Adelhausermuseum teilt zurzeit die Lage aller städtischen Kultureinrichtungen in Freiburg: Die Lage ist „offen“. Aus politischer wie juristischer Sicht ist Freiburg pleite, was dazu geführt hat, dass der aktuelle städtische Haushalt nicht genehmigt worden ist. Die Frist bis Jahresende - wenn die Schließung der für das Publikum zugänglichen Ausstellungsflächen in Kraft tritt - schreckt von weiter reichenden Ausstellungsvorhaben ab. Dazu kommt, dass ein Einkaufsetat für das Museum schon seit Jahren nicht mehr existiert.

Nach der von Oberbürgermeister Dr. Salomon und dem Kämmerer ausgegebenen Parole kann erst wieder in das Schulwesen und in die Museen investiert werden, wenn das städtische Tafelsilber verkauft worden ist. Es gibt in der Tat einen Plan, den städtischen Wohn- und Hausbesitz an einen privaten Investor zu verkaufen, um so die Ebbe in der Stadtkasse zu beheben.

Das Zurdispositionstellen eines Teils des städtischen Vermögens und die öffentliche Diskussion darüber, ob dies berechtigt ist, offenbaren einen Sachverhalt, der museumsspezifische Folgen hat: Die noch andauernde Auseinandersetzung um die materiellen Grundlagen der Kommunalpolitik fixiert die unsichere Situation der Museen und hier besonders der völkerkundlichen auf längere Sicht und beraubt sie so jeder Möglichkeit planender Vorausschau.

Übrigens besteht kein Grund zur Nostalgie. Auch schon vor 20 Jahren war die Situation der Kommunen nicht sehr viel günstiger. Die finanzielle Lage damals ließ etwas weitere und langfristigere Gestaltungsspielräume zu als heute im Zeichen einer unermüdlichen Suche nach „punktuellen Lösungen“. Die durch den verschärften Standortwettbewerb unter den deutschen Großstädten entstandenen finanziellen Engpässe schlagen seit Jahren voll auf die kommunalen Kulturetats durch. Wie bekannt, wird ein großer Teil der Energien in den Museen darauf verwandt, private Sponsoren anzuziehen oder andere Quellen aus dem Bereich der Drittmittelfinanzierung anzuzapfen. Aber dieses Geschäft, für das man den wunderbar klingenden Titel der „privat-öffentlichen Partnerschaften“ erfunden hat, läuft nur sehr zaudernd, sei es aus mangelnder Professionalität der Kultureinrichtungen, sei es wegen des Schwankens der Geldgeber, die nicht wissen, welche Projekte ihr Prestige nachhaltig aufbessern würden.

Das Adelhausermuseum, das 1895 gegründet wurde, wird nun erst einmal gegen Ende 2006 vollständig geschlossen. Geplant sind allerdings Umbauten und eine veränderte institutionelle Basis, die das Museum für die Öffentlichkeit mit neuen Perspektiven versieht. Beabsichtigt ist, im Rahmen eines neuen Konzepts die bisher selbstständigen natur- und völkerkundlichen Abteilungen zusammenzulegen und unter der Bezeichnung Museum für „Mensch und Umwelt“ (so der provisorische Titel) wiederzueröffnen. Neben dem museumsethnologischen Konzept und dem Namen wird sich dann auch der räumliche Zuschnitt des Museums verändert haben: Die für Ausstellungen zur Verfügung stehenden Grundflächen werden in verkleinertem Umfang wiedererstehen (die dem Museum insgesamt zur Verfügung stehende Fläche ist stark reduziert worden). In der Zwischenzeit, das heißt bis zum Jahresende, wird man sich nur noch mit zwei Sonderausstellungen der Öffentlichkeit in Erinnerung rufen: einmal zum Thema des neuen Schamanismus in Sibirien (bis zum 8.10.2006, siehe auch: „Eine Freiburger Ausstellung: Neuer Schamanismus in Tuwa“ in der Rubrik „Medien“), zum andern (18.3. – 3.10.2006) mit dem Thema „Faszination Himalaya: Die Expedition der Brüder Schlagintweit in Indien und Hochasien (1854 - 1857)“.

Verabredet ist, dass die Mitarbeiter der Bereiche Natur- und Völkerkunde die Neugestaltung gemeinsam erarbeiten und bis Mitte 2007 ein neues Konzept vorlegen werden. Für dessen Umsetzung in die Museumspraxis werden sie dann noch rund ein Jahr Zeit haben. Der Anstoß zur Reorganisation des Museums ging 2005 von einem Museumsgutachten der Beratungsfirma LORD Cultural Resources aus. Darin gelangt man - durchaus in Übereinstimmung mit den Museumswissenschaftlern - zu der Erkenntnis, dass die völkerkundliche Dauerausstellung veraltet sei, und plädiert dann aber weniger für eine vorübergehende als für eine dauerhafte Schließung. Der Auftrag an die von außen hinzugezogenen Berater beinhaltete auch, Vorschläge zur Reduzierung von Museumsflächen zu machen (der Beschluss, das Museum tatsächlich zu schließen, wurde übrigens Mitte Februar 2006 durch ein Gutachten des Brandschutzes veranlasst). Das Museumsgutachten von LORD wartete mit zwei Vorschlägen auf: Erstens sollte versucht werden, die natur- und völkerkundlichen Sammlungsgegenstände im Rahmen eines Konzepts zu vereinen. Es lag nahe, heterogene Bereiche aus Natur und Kultur unter dem Dach der Ökologie zusammenzufügen. Der zweite Vorschlag - eher museumspraktischer Art - lautete, die völkerkundlichen Themen sollten nur noch in wechselnden Sonderausstellungen vertreten sein.

Man sollte die geplanten Veränderungen, die sich für die betroffenen Völkerkundler in erster Linie als politische Zwänge - von außen auferlegt - erweisen, nicht nur als Einschnitte in die musealen Bestände und die Möglichkeiten der öffentlichen Präsentation von Ausstellungen, ja vielleicht sogar als eine drohende Marginalisierung bewerten. Unter dem Druck der Beschränkung und der Zusammenlegung zweier Museumsabteilungen bietet sich vielleicht sogar die Chance, die Praxis der völkerkundlichen Museen gegenüber einer kulturell interessierten Öffentlichkeit neu zu bestimmen.

Geplant ist die Wiedereröffnung des neu konzipierten Museums für das zweite Halbjahr 2008. Aber nicht nur die Verzögerungen bei der Zusammenarbeit, die bislang zwischen den beiden so verschiedenen Hälften des Adelhausermuseums aufgetreten sind, sondern auch die Ungewissheiten der städtischen Kulturpolitik lassen diese Terminansetzung etwas „utopisch“ erscheinen. Als weitere Belastung kommt hinzu, dass bis dahin voraussichtlich auch noch die gesamten völkerkundlichen Bestände in ein neues Zentraldepot der Städtischen Museen zu überführen sind.

Welche Alternativen gab es für die am Adelhausermuseum engagierten Völkerkundlerinnen zu den kommunalpolitisch auferlegten Beschränkungen? Einen Teil der Sammlungen zu verkaufen, kam - trotz der Denkanstöße“ der Politik (hier taten sich die Grünen hervor) und des Auftrags der Beratungsfirma - nicht infrage. Auf die Solidarität anderer ethnologischer Museen zu hoffen, führte auch nicht weiter - was hätten diese auch tun können? Diskutiert wurde auch die Strategie, das Museum zu schließen und auf einen wirksamen Protest aus der Öffentlichkeit zu warten. Aber das wurde als nicht besonders opportun eingeschätzt, denn ethnologische Museen finden selten massenhaft Beachtung beim Publikum. Dafür bedarf es größerer und skandalöserer Anlässe als die Schließung eines kleinen - wenn auch sehr guten - ethnologischen Museums.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Frau Dr. Eva Gerhards, der Leiterin der Völkerkundlichen Abteilung am Adelhausermuseum, für die Beantwortung meiner Fragen zur Lage der Freiburger Museumsethnologie.


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008