GELD WIE HEU?

Der Tsunami auf Nias einen Monat danach. Der zweite Brief aus Gunungsitoli, Nias, Indonesien. Von Pater Johannes Hämmerle

Von Pater Johannes Hämmerle

Geld wie Heu?

Am 25. Januar '05 hatten wir von Seiten der Kath. Kirche eine Konferenz, gehalten von Administrator P. Barnabas Winkler, dem Ökonom P. Rantinus Manalu (beide von der Diözese Sibolga) und dem Dekan P. Mikäl To, welcher die Kath. Kirche auf Nias vertritt. Anwesend waren neben zahlreichen Priestern und Ordensleuten, welche auf Nias arbeiten, auch Gäste vom Ausland: Cordaid, Caritas Austria und Gäste von anderen Teilen Indonesiens (Caritas Austria vertreten durch Herr Matuschkowitz und Herr Eisenhart).

Kurz zum Inhalt: Die erste Phase ist abgeschlossen. Administrator Barnabas hatte noch am 26. Dez. von Sibolga aus nach Nias telefoniert und Order gegeben, sofort alle möglichen Hilfsgüter zu kaufen und nach Sirombu zu bringen. Man hatte schon Erfahrung von der Hochwasserkatastrophe im Jahre 2001. Nur diese allererste Hilfe wurde von der Diözese bezahlt. Zwei Tage danach waren die spontanen Hilfsaktionen schon voll im Gange. Basislager war die Pfarrei St. Maria, Gunung Sitoli, zu der auch viele Chinesen gehören, Geschäftsleute, die schnelle bei der Hand sind. Die spontane Hilfe kam hauptsächlich aus Gunung Sitoli, aus Sumatra, Java, Singapore und Malaysia. Mit Lastwagen wurden die Hilfsgüter ca. 60 km weiter transportiert, quer durch Nias hindurch von der Ost- an die Westküste. Dort bildete die Pfarrei St. Petrus mit der großen Aula das Verteilerlager, in Indonesien "Posko" genannt. Genaue Listen über die betroffenen Familien wurden erstellt, die sodann die Grundlage bildeten bei der Verteilung der Hilfsgüter. Die Mitglieder vom "Orden vom Hl. Kreuz", denen die Pfarrei Sirombu/Mandrehe anvertraut ist, leisteten hier vorbildliche Arbeit. Deshalb hat Präsident Bambang Susilo Yudhoyono auch seine Hilfe für West-Nias Pater Mathias Kuppens OSC zum Verteilen übergeben.

Zu diesem ersten Posko kam dann etwas später noch ein zweiter Posko von der Regierung hinzu. Einen Monat nach der Katastrophe gilt die erste Hilfe als abgeschlossen.

In der nun folgenden Phase eines nachhaltigen Aufbaus ist Koordination gefragt. Von Seiten der Kath. Kirche ist man nach wie vor bereit, 68 Hausbauten im Mandrehe-Gebiet zu übernehmen. Mündlich wurde dies vom Landeschef schon zugestanden, Brief und Siegel fehlen noch.

Der Regierungsvertreter des Landes Nias kam erst am 24./25. Januar von Jakarta zurück, wo er sich informieren musste über die Bestimmungen des neuen Präsidenten, welcher verordnet hat, dass in jedem Katastrophengebiet eine Sonderkommission eingesetzt wird, die direkt dem Präsidenten gegenüber verantwortlich ist (Badan Otorita).

Am 26. fand ein Gespräch statt zwischen der Vereinigung Protestantischer Kirchen Indonesiens (PGI), vertreten durch den Ephorus BNKP, und katholischer Kirche, vertreten durch unsern Dekan. Ziel: Zusammenarbeit in Sachen Flutkatastrophe. Man will nun die geplanten 68 Hausbauten / Reparaturen untereinander aufteilen. Finanzielle Hilfe dafür gibt es mehr als genug. Von "Help" bekam ich am 26. Januar '05 die Nachricht, dass ihrer Organisation mit offiziellem Brief unseres Landeschefs, Bupati Nias, der Aufbau in Afulu, Lahewa und Sirombu übertragen wurde. Help wird in spätestens 4 Wochen mit dem Hafen in Sirombu beginnen und dann fortfahren mit dem Hausbau.

Nach langen finanziellen Trockenzeiten über ganz Nias hin hat der 26. Dezember 2004 schlagartig die Szene verwandelt. Welch ein Kontrast! Fast würde ich sagen "Geld wie Heu" für die betroffenen Dörfer, finanzielle und materielle und medizinische Hilfe im Überfluss für die wenigen betroffenen Dörfer! Daneben aber fristen viele andere Dörfer vor allem im Inselinnern wie eh und je ein kümmerliches Dasein. Ja, ich wage es zu sagen, wollte man alle und jegliche Hilfe nur den wenigen betroffenen Dörfern zuwenden, ihnen gleichsam goldene Häuser bauen, es wäre eine schreiende Ungerechtigkeit den anderen Dörfern gegenüber. Und den Betroffenen gegenüber wäre es unklug. Die Ärzte und Krankenschwestern, die in Sirombu im Einsatz waren oder noch dort sind, haben ihrerseits schon vernünftige Konsequenzen gezogen. Da es auf Nias kaum Verletzte gab, sondern nur Tote und Überlebende, haben die Mediziner nämlich damit begonnen auch die anderen nicht betroffenen Leute zu behandeln und ihnen kostenlos Medizin zu geben.

Verteilung von irgendwelchen Materialien haben z.Zt. keinen Sinn, denn die Leute aus den zerstörten Häusern sind meist bei Verwandten und Bekannten untergekommen. Dort ist es aber eng. Das dringendste ist also nun der Hausbau. Wenn ich nun die Katastrophenhilfe auf ganz Nias ausdehnen möchte, so will ich zunächst das Phänomen der Flüchtlinge anführen, das es auf Nias schon lange gibt. Bei den Bevölkerungsstatistiken von Nias wurde ein Defizit festgestellt. Pro Jahr sind es 5.000 Leute mehr, die Nias verlassen, als jene, die hier eintreffen. Die Flucht nach drüben ist bedingt durch mangelnde Erwerbsmöglichkeiten auf der Insel Nias.

Deshalb sind wir nun in der Klemme. Über Nacht gibt es eine enorm große Hilfe für die relativ wenigen Dörfer, die von der Flut betroffen wurden. Die Bevölkerung aber der übrigen Dörfer, deren Jugend Jahr für Jahr ohne Schulbildung nach Sumatra auswandert, geht praktisch leer aus. Projekte lassen sich wohl von jedem, der mit offenen Augen durchs Innere von Nias wandert, leicht finden.

Ein Beispiel: Man könnte den Aufbau von Mittel- und Oberschulen im Landesinnern fördern, damit die Jugend nicht in die Hauptstadt Gunung Sitoli gehen muss, wo sie allen möglichen Einflüssen ausgesetzt ist. Oder andererseits, damit die Jugend nicht von der weiterführenden Schulbildung ausgeschlossen bleibt. Bis vor ein paar Jahren gab es auf dem Weg durchs Inselinnere von Gunung Sitoli über Lolowa'u nach Teluk Dalam im Süden (130 km) noch keine Oberschule (SMU). Pater Angelus Simanullang OFM Cap hat sodann mit einer Schule in Amandraya begonnen, 40 km vor Teluk Dalam. Sie ist inzwischen staatlich anerkannt. Und nun vor einem Jahr begann er mit einer neuen Oberschule (SMU) in Togizita, 64 km von Gunung Sitoli entfernt, im Innern. Dort hat er noch viele Schwierigkeiten. Unter anderem müssen die Lehrergehälter einige Jahre lang selbst bestritten werden, wenigsten bis ein oder zwei Abschlussprüfungen (Abitur) vorüber sind. Die Eltern aber können dafür das nötige Schulgeld nicht aufbringen. Die erste Hürde ist genommen, wenn die Privatschule eine staatliche Schule geworden ist. - Dies nur als Beispiel.

Wenn also ein Spender oder eine Hilfsorganisation die finanzielle Hilfe nur im engen Sinne verstanden wissen will, nur für die von Tsunami betroffenen Dörfer, dann gibt es jetzt zu viele Spenden. Wenn man sodann die Spenden nicht doppelt und dreifach für dasselbe Projekt einstecken will, oder wenn man die Spenden nicht gleichsam ohne Verantwortung hinauswerfen will, dann bleibt nur die Alternative: die Hilfe an den Spender zurückzusenden oder ihn um seine Zustimmung zu bitten, diese Hilfe überall dort auf Nias einsetzen zu dürfen, wo Not ist, mit anderen Worten eine nachhaltige Entwicklung in die Wege zu leiten, welche ganz Nias einbezieht. Dies würde dann auf einer Linie liegen mit der Rede von Bundespräsident Köhler in Tübingen und mit der Neujahrsrede von Kanzler Schröder: Andauernde Partnerschaften mit Regionen, mit Dörfern oder Institutionen in Süd-Ost-Asien.

Im Namen der Niasser ein herzliches Vergelt's Gott allen, die spontan geholfen und gespendet haben, die irgendwelche Aktionen gestartet haben oder sich in irgendeiner Weise solidarisch gezeigt haben. Dazu gehören auch Gebet, Mahnwachen oder Benefizveranstaltungen.

Saohagolo. Ya'ahowu
Mit herzlichen Grüßen aus Nias
P. Johannes M. Hämmerle OFM Cap


Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008