„Völkermuseum“ wurde die im Jahr 1904 in Frankfurt gegründete Institution für die Sammlung außereuropäischer Artefakte genannt. Im Jahr 1947 wurde sie umbenannt in „Städtisches Museum für Völkerkunde, Frankfurt am Main“. In den 60er-Jahren entfiel der Zusatz „Städtisches“. Am 1.2.2001 beschloß der Magistrat der Stadt Frankfurt, auf Vorschlag der neuen Leitung des Museums, nach Maßgabe der vorgestellten Konzeption für eine Neukonstituierung, das Museum für Völkerkunde in Museum der Weltkulturen umzubenennen.
Die Ethnologie, Völkerkundemuseen und ihre VertreterInnen haben in den letzten 100 Jahren einen langen Weg zurückgelegt. Begonnen hatte dieser unter anderem mit Präsentationen wie „Wilde Menschen - Wilde Tiere“ in zoologischen Gärten, für die sich auch die Anthropologische Gesellschaft interessierte. Letzten Endes führten diese Veranstaltungen in Frankfurt am 22.10.1904 zur Gründung des „Völkermuseums“. Zeugnisse außereuropäischer Gesellschaften wurden im 19. Jahrhundert bis in das erste Viertel des 20. Jahrhunderts vor allem durch die Völkerkundemuseen aufbereitet, und erst im zweiten Schritt folgte die Gründung der universitären Institute. Der Begriff „Völkerkunde“ wurde spätestens im 19. Jahrhundert mit der Entstehung der Kolonialreiche zum Namen einer wissenschaftlichen Forschungsrichtung, die sich der Untersuchung nichteuropäischer, sogenannter traditioneller Stammeskulturen widmete. Das Sammeln von Daten und Artefakten geschah in vielen Fällen unsystematisch - es wurde aufgenommen und gesammelt, was zu haben war - in der Hoffnung, dass sich die „Kunde der Völker“ nach Rückkehr der Sammler in ihre Heimat über die gesammelten Objekte von selbst erschließen würde. Daraus entstand die Situation, dass RepräsentantInnen anderer Kulturen ihre Weltsichten nicht selbst darstellen konnten. Objekte wurden eingesammelt, und es wurde über sie und andere beim Sammeln beobachtete Daten berichtet. Andere Lebensweisen und Weltsichten wurden aus vorwiegend eurozentrischer Perspektive interpretiert.
Das Verständnis im Umgang mit anderen Kulturen hat sich geändert. Es besteht mehr und mehr großes Interesse daran, Menschen anderer Kulturen selbst zu Wort kommen zu lassen, um ihre Lebensweise zu erklären. Nimmt man das Bild einer Waage, in deren einen Schale „Interesse an Exotik“ liegt und in der anderen „Neugier und Erkenntnis“, so findet eine Verschiebung der Gewichtung in Richtung Letzterer statt. Es will zum Beispiel gestaunt werden über andere Rituale.
Die Begeisterung entsteht jedoch erst, wenn auch Vergleiche zur eigenen Kultur und Lebensweise gezogen werden, um das Fremde über strukturelle Ähnlichkeiten und Unterschiede zur eigenen Kultur als verstehbar zu erkennen. In diesem Sinn wird in der Öffentlichkeit der Begriff „Völkerkunde“ zunehmend als veraltet empfunden. Darüber hinaus trifft auch der Begriff „Völkerkunde“ das Arbeitsgebiet im Museum, spätestens seit der postmodernen Wende in der Ethnologie, nicht mehr präzise. Die modernen Ethnologien widmen sich nicht mehr der Erforschung „ganzer Völker“; ihr Ziel ist es vielmehr, Kenntnisse von Kulturen dieser Welt, wie sie von Individuen und Gruppen gestaltet, gelebt, verändert und selbstkritisch gesehen werden, aufzunehmen und zu übersetzen.
Der neue Terminus „Museum der Weltkulturen“ trifft Inhalte und Aufgaben eines modernen ethnologischen Museums präziser. Das Museum der Weltkulturen sieht im 21. Jahrhundert als seinen Auftrag, nicht nur Sammlungen wissenschaftlich zu bearbeiten, zu erweitern und auszustellen, sondern sich auch an öffentlichen Diskussionen zu Fragen nach gesellschaftlichen Kontexten der Menschenrechte und nicht zuletzt dem Problem und den Auswirkungen von Fremdenfeindlichkeit zu beteiligen. Dies soll nicht heißen, dass sich bisher Völkerkundemuseen diesen Fragestellungen verschlossen hätten. In Frankfurt bearbeiteten die MitarbeiterInnen des ehemaligen Museums für Völkerkunde sehr engagiert Themen, die kulturvergleichend ausgerichtet unbter anderem Aspekte der Migration, des Fremden et cetera. in den Mittelpunkt von Ausstellungen und Begleitveranstaltungen stellten.
1997 eröffnete das Museum die Galerie 37, in der moderne und zeitgenössische KünstlerInnen der nichtwestlichen Welt beziehungsweise Ländern des Südens in Wechselausstellungen ihre Werke zeigen. Nicht die EthnologInnen übersetzen, sondern die KünstlerInnen selbst stellen uns ihre Sichtweise des Eigenen und des Anderen vor. Zu den Eröffnungen werden die KünstlerInnen eingeladen und beteiligen sich aktiv an der Präsentation ihrer Ausstellung mit begleitenden Workshops für Schüler und Erwachsene.
In Hinblick auf die Diskussion um die Umbenennung war besonders auch dieses Projekt mit dafür ausschlaggebend, dass der Name geändert werden musste. Es zeigte sich zum Beispiel, dass bereits erfolgreiche zeitgenössische KünstlerInnen aus den Ländern des Südens nicht bereit waren, in einem Museum für Völkerkunde auszustellen. In ihrem Selbstverständnis als Kunstschaffende gaben sie zum Ausdruck, dass ihr Platz in einer Galerie sei - unabhängig von Völkerkunde (ein Begriff, der von ihnen mit „Kolonialzeit“, „Wildheit“, „Rückständigkeit“ und „Primitivität“ assoziiert wurde). Dies gilt im Übrigen auch für MusikerInnen, die ihre Musik, zur Gattung „Weltmusik“ gehörend, nicht in einem Völkerkundemuseum spielen wollen. Die positiven Rückmeldungen internationaler KünstlerInnen auf die Umbenennung bestätigten uns noch einmal, eine zeitgemäße Entscheidung getroffen zu haben.
Herausgeber © Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M. 2008